Selbstwert

„Wenn du siehst, wie viele dir voraus sind,
so denke daran, wie viele dir nachstehen.“

Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v. Chr. – 65 n. Chr., römischer Politiker, Philosoph und Schriftsteller)

1. Einführung

Geht nicht gibt's nichtJeder Mensch hat ein bestimmtes Bild von sich selbst. In diesem Selbstbild sind physische Merkmale (Alter, Geschlecht, Haarfarbe, Körperstatur), psychische Merkmale (besondere Fähigkeiten, Werte, Einstellungen) und soziale Rollen (Beruf, Status, Beziehungen) enthalten. Viele Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich das Selbstbild jedes Menschen aus Begegnungen und Erfahrungen mit anderen Menschen entwickelt hat. Durch die Beziehungen zu anderen Personen und der daraus resultierenden Reaktionen anderer, lernt jeder Mensch sich selbst kennen und zieht Schlüsse über das eigene Selbstbild. Das Selbstwertgefühl resultiert aus der Bewertung dieses eigenen Selbstbildes. Astrid Schütz, die sich mit dem Selbstwert lange Zeit schon beschäftigt, ist der Meinung, dass man zu dieser Bewertung durch (1) die Wahrnehmung der eigenen Wirksamkeit (Wenn etwas gut gelingt), (2) durch soziale Vergleiche (kann ich etwas schlechter oder besser als andere) und (3) soziale Rückmeldung (Lob) kommt.

2. Warum ist eine positive Selbstsicht so wichtig?

Das eigene Selbstbild hat besonders großen Einfluss auf Verhalten, Denken und das psychische Wohlbefinden. Wenn eine Person davon überzeugt ist, ein Versager zu sein, wird dieses negative Selbstbild die Person mehr in ihrem Denken, Handeln und Empfinden beeinflussen, als Aussagen von anderen Personen, die das Gegenteil behaupten. Minderwertigkeitsgefühle können daraus resultieren. Und es ist nicht verwunderlich, wenn aufgrund dieses Minderwertigkeitsgefühls es zu vielen Problemen in verschiedensten Bereichen (Gesundheit, Beziehung, Umgang mit Stress) des Lebens kommt.

Gesundheit und emotionales Wohlbefinden sind nicht selbstverständlich. Jeder Mensch hat verschiedenste Erlebnisse im Leben erfahren und bewertet sich selbst aufgrund dieser Erfahrungen.

Quellenangaben:
Dauenheimer, D., Stahlberg, D., Frey, D. & Petersen, L. E. (2002). Die Theorie des Selbstwertschutzes und der Selbstwerterhöhung. In D. Frey & M. Irle (Hrsg.), Theorien der Sozialpsychologie (Bd.3: Motivations-, Selbst- und Informationsverarbeitungstheorien, 2.Aufl., S.159-190). Bern: Huber.
Schachinger, E. Helga (2002). Das Selbst, die Selbsterkenntnis und das Gefühl für den eigenen Wert. Bern: Huber.

3. Wie zeigen sich Selbstwertprobleme?

Wie sich Selbstwertprobleme bei Kindern und Jugendlichen zeigen ist sehr unterschiedlich und von der Persönlichkeitsstruktur abhängig. Je nach Persönlichkeitsausprägung (sensibel) wirken diese Kinder im sozialen Bereich oft schüchtern und ängstlich, können sich oft nicht durchsetzen und werden zwischendurch auch gerne Opfer von Mobbingvorfällen. Andere Kinder (robust und extrovertiert) prahlen eher gerne, spielen den Clown, werden bei Konflikten schnell aggressiv (verbal oder körperlich) und sind eher die Täter bei Mobbingvorfällen. Auch im Leistungsbereich zeigen Kinder und Jugendliche je nach Persönlichkeit verschiedene Verhaltensweisen: In beiden Gruppen zeigen sich Versagensängste bei Test, Schularbeiten oder Hausübungen (machen sich viele Sorgen ob sie etwas schaffen werden), geben bei Schwierigkeiten schnell auf bzw. zeigen keine Ausdauer und trauen sich nichts zu (z.B.: bei neuen Aktivitäten). Je nach Persönlichkeit beginnen Kinder dann oft zu weinen, wirken überfordert und gestresst oder versuchen alles richtig zu machen. Andere Kinder reagieren eher aggressiv, verweigern die Erledigung von Hausübungen oder Lernaufgaben die anstrengend erscheinen. In der Schule arbeiten diese Schüler oft nicht mit, stören auf verschiedene Weise den Unterricht und ecken bei Mitschülern an.

4. Mögliche Ursachen für ein dysfunktionales Selbst bzw. einen negativen Selbstwert

Negative KommunikationEinige Forscher gehen davon aus, dass in den ersten Lebensjahren eine sicher Bindung an wichtige Bezugspersonen enorm wichtig ist, um eine psychische Sicherheit im späteren Leben zu entwickeln. In dieser Zeit lernen Kinder Beziehungsregeln („ich bin nicht alleine - es ist jemand der mich unterstützt“, „Ich darf andere nicht hauen“,…), die sie im späteren Leben auch oft anwenden.

Auch das Gefühl bedingungslos geliebt zu werden, ist für Kinder enorm wichtig um ein stabilen Selbstwert entwickeln zu können. Wenn ein Kind nur dann ein Gefühl von Liebe erfährt, wenn die Zuneigung der Eltern oder der Bezugsperson an eine Bedingung geknüpft ist, kann es sein, dass das Kind später einen labilen Selbstwert aufbaut.

Auch die eigene Autonomie (Selbstständigkeit), seine eigenen Wünsche anderen gegenüber durchsetzen zu können und zu wissen was man möchte ist ein weiterer Puzzlestein um den Selbstwert positiv sehen zu können. Auch das wird in frühen Jahren gelernt. Dabei ist es auch wichtig, dem Kind gegenüber genügend Raum zu geben eigene Bedürfnisse, Gefühle und Meinungen ausdrücken zu dürfen.

In Beziehungen, ob gleich das Paarbeziehungen, Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Beziehung, Eltern-Kind-Beziehung sind, wird der Selbstwert auch über Anerkennung anderer beeinflusst. Das Gefühl der Wertschätzung ist nicht nur für die psychische sondern auch die physische Gesundheit wichtig. Anerkennung und Wertschätzung definiert sich dabei zum Beispiel über Lob, Lohn oder auch Entwicklungsmöglichkeiten.

Quellenangaben:
Nuber, U. (2014). Wie eine dicke Haut entsteht. Psychologie Heute compact, 38, 14-17.
Unverzagt, G. (2014). Es braucht Mut, eigene Interessen zu vertreten. Psychologie Heute compact, 38, 28-32.

5. Wie kann ich den Selbstwert stärken?


Selbstverantwortung & Autonomie

Eigenständigkeit ist enorm wichtig für einen gesunden Selbstwert. Vor allem viele Frauen sind noch immer in traditionellen Mustern gefangen und verlieren sich in einer Opferrolle. Verantwortung für sich und das eigenen Handeln zu übernehmen ist der erste Schritt in Richtung Autonomie. Das gilt ebenso für Kinder. Kinder müssen die Welt erst entdecken um zu erkennen was sie wirklich wollen. Ein überfürsorglicher oder zu kontrollierender Erziehungsstil kann daher keine gesunde Basis für die Entwicklung von Selbstverantwortung und Autonomie sein. Dabei spielen Lob und Zuwendung eine große Rolle. Sehen sie nicht nur die Fehler, sondern auch die kleinen Erfolge und schenken Sie ihrem Kind Zuwendung und Lob.

Selbstakzeptanz & Bedingungslose Liebe

WertschätzungUm sich selbst akzeptieren zu können muss man sich sehr gut kennen. Darum ist es notwendig, nicht nur die eigenen Stärken zu erkennen, sondern auch die eigenen Schwächen zu beleuchten. Erst wenn man seine Schwächen kennt, und sich selbst dadurch nicht ablehnt, kann man ein Gefühl von Selbstakzeptanz und einen positiven Selbstwert entwickeln. Auch für Kinder ist das Gefühl „Geliebt zu werden so wie ich bin“ enorm wichtig. Das heißt, dass die Liebe die sie ihrem Kind entgegenbringen nicht an Bedingungen (z.B. gute Noten) geknüpft sein sollte.

Selbstbehauptung & Wahrnehmen der Person

Jeder Mensch hat Bedürfnisse und Ziele. Doch oft ist es gar nicht einfach den eigenen Bedürfnissen zu folgen. Trauen sie sich ruhig die eigenen Bedürfnisse klar zu definieren und auch danach zu handeln. Und wenn das nur ein Tag „Auszeit“ ist, an dem sie so richtig die Seele baumeln lassen können. Auch für die Kleinsten ist Selbstbehauptung enorm wichtig. Ein essentielles Bedürfnis jedes Kindes ist es, eigene Gefühle und Meinung ausdrücken zu dürfen. Kinder sind kleine Persönlichkeiten, die genauso ihre Meinung äußern möchten. Durch die nötige Zuwendung fördern sie das Gefühl von Selbstbehauptung.

Quellenangaben:
Nuber, U. (2014). Wie eine dicke Haut entsteht. Psychologie Heute compact, 38, 14-17.
Unverzagt, G. (2014). Es braucht Mut, eigene Interessen zu vertreten. Psychologie Heute compact, 38, 28-32.

6. Psychologische Trainings um den Selbstwert zu stärken und zu stabilisieren?

Ich Kann, Ich will, Ich werdeIm psychologischen Rahmen gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten um den Selbstwert zu stärken. Nach einem genauen Anamnesegespräch, einer Diagnostik (um die Stärken und Schwächen und die Persönlichkeit des/der Klienten/in kennenzulernen), einer Befunderstellung und –Besprechung, können sehr individuelle Behandlungsmöglichkeiten angeboten werden.

Die Behandlungsziele:

  • Den eigenen Wert und die eigenen Fähigkeiten entdecken
  • Selbstzweifel verringern
  • Eigene Leistungen und Kompetenzen wertschätzen lernen
  • Lernen, dass man etwas schaffen kann (auch wenn es nicht immer leicht ist)
  • Mit Fehlern und Misserfolgen umgehen lernen
  • Den selbst auferlegten Druck und Stress abbauen

Gemeinsam mit der/dem Klienten/in werden der eigene Wert entdeckt, Stärken und positive Eigenschaften herausgefiltert, Schwächen aufgedeckt und daran gearbeitet einen angemessenen Umgang mit diesen zu erfahren und zu erlernen. Meist werden auch Eltern in die psychologische Behandlung miteinbezogen und diese gecoacht um das eigene Kind in Richtung Selbstständigkeit und Wahrnehmen der eigenen Leistungen zu unterstützten bzw. um einen positiven Umgang mit dem Kind zu stärken (Positive Kommunikation).

Quellenangaben:
Nuber, U. (2014). Wie eine dicke Haut entsteht. Psychologie Heute compact, 38, 14-17.
Unverzagt, G. (2014). Es braucht Mut, eigene Interessen zu vertreten. Psychologie Heute compact, 38, 28-32.