Übergewicht bei Kindern

1. Einführung

Immer mehr Kinder leiden unter Übergewicht, häufig wird das Gewichtsproblem bei der Schuleingangsuntersuchung deutlich. Ein paar Kilo zu viel wachsen sich aber meist nicht einfach wieder aus, sondern bleiben dauerhaft bestehen. Übergewicht bei Kindern wird mittlerweile als ernstes Problem angesehen, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnet Übergewicht sogar als "Epidemie" der heutigen Zeit.

BurgerDoch wie entsteht Übergewicht? Die Medizin geht davon aus, dass die Veranlagung für Übergewicht erblich ist, d.h. manche Kinder nehmen aufgrund ihres genetischen Programmes schneller zu (wenn sie zu viel essen), als andere Kinder. Deshalb haben adipöse Kinder auch häufig adipöse Eltern. Sind beide Elternteile übergewichtig, wird das Kind zu 80 Prozent auch übergewichtig. Weitere individuelle biologische Faktoren sind bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Übergewicht beteiligt, etwa wie hoch der Energiebedarf eines Menschen ist. Jedoch ist der Lebensstil noch immer die bedeutendste Komponente. Das Nahrungsangebot wird immer energiehaltiger (z.B. Fast Food, Fertigprodukte), das Freizeitverhalten der Kinder wird immer inaktiver, es werden viele Stunden vor dem Fernseher oder Computer verbracht. Die Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten spielen eine große Rolle, oft wird nach dem Vorbild der Eltern gelebt. Positiv ist, dass wir auf unseren Lebensstil gezielt Einfluss nehmen können und Übergewicht so bezwingen können (Petermann & de Vries, 2007).

Quellenangaben:
Petermann, F. & de Vries, U. (2007). Übergewichtige Kinder. Hilfen für Eltern. Weinheim: Beltz.

2. Übergewicht und Adipositas

GewichtskontrolleStarkes Übergewicht wird als Adipositas oder Fettsucht bezeichnet und beschreibt einen Zustand übermäßiger Fettansammlungen im Körper. Grundsätzlich gilt ein Mensch als adipös, wenn er laut dem Body-Mass-Index (BMI), einem Bewertungsmaßstab zur Beurteilung des Körpergewichtes, über dem Wert von 30 liegt:

BMI = Körpergewicht (kg)/Körpergröße (m2)

Eine Person mit 60 kg bei einer Körpergröße von 1,70 m weist folglich einen BMI von 20,8 auf und liegt im optimalen Bereich (60/1,70x1,70=20,8).


Folgende Tabelle verdeutlicht die Körpergewichtseinteilung:

Bewertung

BMI-Wert

Adipositas Grad III

> 40

Adipositas Grad II

35 – 39,9

Adipositas Grad I

30 – 34,9

Übergewicht

25 – 29,9

Normalgewicht

18,5 – 24,9

Leichtes Untergewicht

17 – 18,49

Mittelgradiges Untergewicht

16 – 16,9

Hochgradiges Untergewicht

< 16

Von Übergewicht spricht man bereits ab einem BMI von 25 kg/m2. Zu beachten ist jedoch, dass Sportler aufgrund der hohen Muskelmasse ebenfalls einen hohen Wert aufweisen können, obwohl sie eigentlich nicht übergewichtig sind. Deshalb empfiehlt es sich, die Fettverteilung und Bewegungsgewohnheiten zu berücksichtigen. Für Kinder und Jugendliche ist es sinnvoll, die Perzentile ihrer Altersgruppe als Kennwerte heranzuziehen, da sie ihr Gewicht jedes Jahr verändern. Als Zielgewicht kann der Wert der 25. Altersperzentile angestrebt werden. Als übergewichtig gelten Kinder, die über den 90. Perzentilwert kommen, ab dem Wert 97 wird Adipositas angenommen (DGPM, 2011). Überprüfen Sie den BMI Ihres Kindes einfach mit diesem BMI Rechner für Kinder und Jugendliche:

Quellenangaben:
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (2011). S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen. AWMF Online.

3. Binge-Eating-Störung

AdipositasHinter Übergewicht und Adipositas kann sich eine sogenannte Binge-Eating-Störung verstecken, die sich durch regelmäßig auftretende Essanfälle ("Fressattacken") bemerkbar macht. Große Nahrungsmengen werden verzehrt und das Gefühl tritt ein, die Kontrolle über das eigene Essverhalten zu verlieren. Das Sättigungsgefühl tritt während der Essattacken nicht ein. Die Betroffenen verzehren in einem kurzen Zeitraum (z.B. zwei Stunden) deutlich mehr, als die meisten Menschen unter vergleichbaren Umständen, sprich sie essen unkontrolliert über mehrere Stunden und können nicht mehr klar angeben, wann der Essanfall begonnen oder geendet hat. Binge-Eater weisen meist chaotische Essgewohnheiten und eine generelle Tendenz sich zu überessen auf. PizzaDie Essanfälle treten meist in emotional schlechter Stimmungslage auf (Stress, Traurigkeit, Langeweile), wobei es auch Betroffene ohne emotionale Auslöser gibt. Nach den Essanfällen bestehen meist Schuld- und Schamgefühle oder depressive Zustände, gewichtsreduzierende Maßnahmen werden nicht angewandt (Erbrechen, exzessiver Sport). Meist besteht aber ein falsches Ernährungsverhalten, auch zwischen den Attacken wird zu kalorienreich gegessen, was zu Adipositas führt (DGPM, 2011).

Quellenangaben:
Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (2011). S3- Leitlinie Diagnostik und Therapie der Essstörungen. AWMF Online.

4. Gesundheitliche Folgen

Eltern machen sich nicht grundlos Sorgen um ihr übergewichtiges Kind, denn tatsächlich ist das Risiko eines Kindes mit Übergewicht hoch, spätestens im Erwachsenenalter unter Folgeerkrankungen zu leiden. Bei einem siebenjährigen Kind mit Übergewicht besteht bereits eine Gefahr von 40 Prozent, ein kranker übergewichtiger Erwachsener zu werden. Die Probleme, die durch Übergewicht entstehen können, betreffen sowohl den Körper als auch die Psyche des Kindes.

Körperliche Folgeerkrankungen:

Die Lungenfunktion kann betroffen sein, übergewichtige Kinder bekommen bei Bewegung schlecht Luft und können im Schlaf unter Atemaussetzern leiden. Da sich das Fettgewebe im Körper anlagert, kann es bereits bei Kindern zu einer Fettleber und Gallensteinen kommen. Das Skelettsystem und die Muskulatur sind stärker belastet, was zu Fehlbelastungen und Schmerzen führen kann. Das Herz-Kreislauf-System muss bei Belastung stärker arbeiten, wodurch adipöse Kinder beim Sport nicht mithalten können. Bluthochdruck kann entstehen, was eine Belastung für das Herz darstellt. Der "Altersdiabetes" tritt nicht nur im hohen Alter auf, er wird bereits vermehrt bei übergewichtigen Kindern gefunden.

Psychische und soziale Belastungen:

Neben den körperlichen Folgen finden sich bei übergewichtigen Kindern häufig zusätzlich psychische Problematiken. Adipöse Kinder sind immer wieder negativen Bemerkungen von anderen ausgesetzt und haben häufig weniger Selbstbewusstsein als normalgewichtige Gleichaltrige. Die betroffenen Kinder fühlen sich in ihrem Körper unwohl oder lehnen ihn sogar ab. Häufig versuchen sie später als Jugendliche Diäten durchzuführen, die dann schlimmstenfalls in Essstörungen enden können. Übergewicht kann also Einfluss auf die emotionale Entwicklung des Kindes nehmen. Auch werden übergewichtige Kinder nicht selten in eine Außenseiterrolle gedrängt. Häufig werden sie von ihren Altersgenossen gehänselt, das Übergewicht tritt in ihrem Leben in den Vordergrund. Übergewichtige Kinder haben es schwerer, ein positives Selbstbild zu entwickeln und soziale Kontakte zu knüpfen. Auch können diese Probleme dazu führen, dass Kinder als Trost essen, was zu einem Teufelskreis führt, da sie weiter zunehmen (Petermann & de Vries, 2007).

Quellenangaben:
Petermann, F. & de Vries, U. (2007). Übergewichtige Kinder. Hilfen für Eltern. Weinheim: Beltz.

5. Psychologische Behandlung

EssenspyramideIn der psychologischen Behandlung bestehen die Ziele, das Ess- und Bewegungsverhalten des Kindes zu optimieren. Wichtig sind hierbei die kindgerechte Vermittlung von Ernährungswissen (z.B. Ernährungspyramide, Ernährungsformel), die Selbstbeobachtung des Essverhaltens und Sättigungsgefühls, die Einführung von Essregeln sowie das Erlernen der Verhaltenskontrolle beim Essen. Weiter kann das eigene Bewegungsverhalten analysiert werden und ein Bewegungsplan aufgestellt werden.

Auch die Förderung der Selbstakzeptanz ist ein wichtiger Baustein, da viele übergewichtige Kinder unter ihrem Gewicht leiden und Selbstzweifel aufkommen. Aufgrund dessen ist es bedeutsam, die eigenen Stärken und Schwächen wahrzunehmen und soziale Kompetenzen zu fördern. Übergewichtige Kinder verwenden Essen bzw. Naschen häufig zur Stressbewältigung, wenn sie mit belastenden Dingen nicht zurechtkommen. In der psychologischen Behandlung kann das Stressverhalten beobachtet werden, neue Bewältigungsmöglichkeiten können gefunden und ein Entspannungsverfahren erlernt werden (z.B. progressive Muskelrelaxation), welches eine bewährte Methode darstellt, um Stress abzubauen.

GemueseIm Rahmen einer psychologischen Behandlung wird auch mit den Eltern gearbeitet, da meist familiäre Strukturen oder der Lebensstil der gesamten Familie für das Übergewicht des Kindes mitverantwortlich sind. Als Familie die Ernährungsgewohnheiten umzustellen und Familienregeln aufzustellen ist wirkungsvoller, als das Kind alleine vor die Hürde des Abnehmens zu stellen. Eltern nehmen großen Einfluss auf ihre Kinder, haben eine enorme Vorbildwirkung und sind Motivatoren, durch ihre Möglichkeiten, positiv zu verstärken. In der psychologischen Behandlung kann das Erziehungsverhalten angepasst werden (z.B. durch Selbstbeobachtung der Eltern, Aufbau von erwünschtem Verhalten durch Verstärkungssysteme) (Petermann & de Vries, 2007).

Quellenangaben:
Petermann, F. & de Vries, U. (2007). Übergewichtige Kinder. Hilfen für Eltern. Weinheim: Beltz.